Stadtentwicklung
Demografie für Dortmund: Wie verändern sich Stadt und Menschen?
Deutschland wird älter – auch Dortmund. Denn der demografische Wandel verändert ebenso die größte Stadt im Ruhrgebiet. Heute ist Dortmund im Schnitt 43,2 Jahre alt. Welche Maßnahmen müssen getroffen werden, um die alternde Gesellschaft morgen weiterhin problemlos versorgen zu können – und wie soll das finanziert werden? Das sind Themen auf dem ersten Demografieforum im Bürgersaal des Rathauses Dortmund Ende November dieses Jahres.
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Expert*innen hielten Vorträge rund um das Thema Demografie, Menschen aus der Dortmunder Gesellschaft diskutierten mit. Die Veranstaltung war restlos ausgebucht, das Interesse riesig. Kein Wunder – denn auch Dortmund veraltet. Das bestätigen die Statistiker*innen Diana Andrä und Tom Schlattmann in ihren Vorträgen.
Einblicke in die Dortmunder Bevölkerungsstruktur
In der gefüllten Bürgerhalle im Rathaus führen die Dortmunder Statistiker*innen Diana Andrä und Tom Schlattmann auf humorvolle Weise die
Dortmund ist die größte Stadt im Ruhrgebiet, die drittgrößte Stadt in NRW – und wächst: Im Jahr 2000 zählte Dortmund etwa 585.000 Einwohner*innen, Anfang November dieses Jahres sind es knapp 614.000 Personen mit ihrem Hauptwohnsitz in Dortmund. Gründe für den Zuwachs ist die seit 2005 gültige EU-Freizügigkeit, die Flüchtlingskrise ab 2015 und der Angriff Russlands auf die Ukraine im Jahr 2021, erklärt Andrä.
Die Flüchtlingsbewegung sorgte für eine Absenkung des Altersdurchschnitts in der Stadt. Das habe einfache Gründe: „Junge Menschen sind eher bereit zu flüchten als ältere. Deswegen kommen eher Jüngere nach Dortmund“, so die Statistikerin Andrä.
Bei der Altersstruktur gibt es in Dortmund ein Nord-Süd-Gefälle: Die meisten unter 18-Jährigen wohnen in der Nordstadt (26,3 Prozent), während die Mehrheit der über 65-Jährigen in Aplerbeck leben (24,5 Prozent). Das wirkt sich auf das durchschnittliche Alter in den jeweiligen Bezirken aus: In der Nordstadt, dem jüngsten Bezirk Dortmunds, liegt der Altersdurchschnitt bei 35,4 Jahren, in Aplerbeck dagegen bei 46,7 Jahren.
Zu- und Wegzüge sind demografische Treiber
Die Wanderungsbewegungen der letzten Jahre zeigen: Dortmund wächst langsam, aber konstant – und liegt damit im
Dortmund ist im Durchschnitt über 40 Jahre alt
Die Bevölkerung in Dortmund veraltet, auch das verdeutlichen die Zahlen. Die Zeiten der Baby-Boomer werden nicht mehr erreicht, die Altersgruppe bis 50 Jahre steigt dagegen im Vergleich zu der Geburtenzahl.
Was bedeutet dies für eine Kommune? So die Frage einer Zuhörerin in der anschließenden Diskussion. „Wir brauchen Pflegekräfte, wir brauchen altersgerechte Wohnungen, eine flächendeckende Gesundheitsversorgung und bezahlbaren Wohnraum – das sind Themen, auf die wir uns als Stadt vorbereiten müssen“, erklärt Oberbürgermeister Thomas Westphal. Deswegen sei es wichtig, dass Dortmund frühzeitig handelt, um weiterhin zukunftsfähig zu bleiben. „Dieses Forum bildet ein Meilenstein ab auf dem Weg zu generationsgerechtem Wandel.“
Demografie wirkt sich auf die Stadtplanung aus
Zudem helfe die Altersstruktur in den einzelnen Bezirken, langfristig zu planen, denn der jeweilige Bedarf auf dem Wohnungsmarkt und der Pflege- und Kinderbetreuung ist je nach Bezirk unterschiedlich: Während im Norden vermehrt Kita- und Schulplätze benötigt werden, ist der Bedarf nach Pflegekräften und altersgerechten Wohnungen im Süden höher, erläutert Westphal weiter. Durch diese Zahlen sei der Rat zudem in der Lage, rechtzeitig Maßnahmen zu ergreifen, um nicht in die Altersfalle zu tappen. „Wir gehen von einem Wachstumsszenario für unsere Stadt aus. Dementsprechend planen wir.“
Anfang Mai hatte die
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„Welche Institutionen müssen genutzt oder gar neu geschaffen werden, um sie zu mobilisieren und Wege zu finden, Zukunft zu gestalten?“ So eine Frage des Soziologen und Autor Stefan Schulz in seinem Impulsvortrag „Die Altenrepublik“. Seiner Meinung nach müsse der Fokus darauf gelegt werden, den demografischen Wandel und seine Auswirkungen generationengerecht zu gestalten. Das bedeute Investitionen und, dass Kommunen und Städte Geld bräuchten, „um den Wandel hinzubekommen“, so Schulz weiter.
Generationengerechte Priorisierung des Haushalts
Dortmund hat etwa 23.000 Kinder in Dortmund. „Das sind unsere zukünftigen Rentenzahler“, so Schulz. Auf welche Art und Weise wolle man Institutionen mobilisieren oder neu erschaffen, damit die Kinder auch wirklich zu „Rentenzahler“ werden? Und welche Institutionen solle man als Stadt unterstützen?
Die Familie sei in der Soziologie eine Institution von vielen, erklärt Schulz. Spätestens ab dem 7. Lebensjahr käme die Schulplficht auf Eltern zu, damit komme erstmals der Staat ins Spiel. „Die Politik – also Bundes- und Kommunalpolitik – muss sich die Frage stellen: Wo schöpfe ich Geld ab, damit es in Kommunen ankommt und da investiert wird, wo der nächste Jahrgang in den Startlöchern steht?“, verdeutlicht Schulz die Verantwortung der Politiker*innen auf kommunaler, Landes- und Bundes-Ebene.
Ein Rechenbeispiel: Dem Bund stünden im
Mit der sogenannten Schuldenbremse sei es zudem schwer machbar, einen generationengerechten Wandel hinzubekommen, mahnt Prof. Dr. Jens Südekum der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, der sich mit den Folgen des demografischen Wandels für die öffentlichen Finanzen beschäftigt. Ohne Förderung vom Bund wäre es schwierig bis unmöglich, als Stadt handlungsfähig zu bleiben, so Südekum. „Mit der Schuldenbremse kriegen wir den demografischen Wandel kaum hin.“
Diskussionsrunde sucht Lösungen für einen fairen Generationswandel
In der anschließenden Podiumsdiskussion brint Moderator Christoph Tiegel noch einmal alle Themen des Demografieforums zusammen: Finanzierung, Einwanderung, Soziologie, bezahlbarer und teils seniorengerechter Wohnraum. Was dabei deutlich wird: Die Familie sei einer der wichtigsten Institutionen. Dort werde sozialisiert, dort werden die Jungen genauso versorgt wie die Alten.
Oberbürgermeister Thomas Westphal äußert sich zum Thema Generationengerechigkeit: „In den Familien, auch über die Kernfamilie hinaus mit Opa und Oma dabei, gibt es eher keinen Generationskonflikt: Die Alten kümmern sich um die Jungen, die Jungen später wiederum um die Alten. Der Generationskonflikt ist ein medial-politscher gemachter Konflikt. Wir haben einen Verteilungskonflikt, einen Zugangskonflikt, keine Auseinandersetzung zwischen den Generationen.“ Die eigentlichen Konflikte gebe es in der Gesellschaft, sei es beim Thema Einwanderung oder beim Thema Wohnraum. „Weghören bringt da nichts – wir müssen uns diesen Auseinandersetzungen stellen, wir müssen weiterhin im Gespräch bleiben und vor allem: Wir müssen Lösungen finden“, so Westphal weiter.
Klar wurde auch: Ohne Einwanderung wird ein gerechter Generationswandel unmöglich, denn Deutschland würde sonst der Nachwuchs für den Arbeitsmarkt ausgehen – das beträfe zwangsläufig auch Dortmund. „Wir sollten Einwanderung als Chance sehen und nicht als Gefahr. Dortmund ist auf einem guten Weg, indem es Institutionen schafft, die Migration erleichtert. Dazu gehören beispielsweise Begegnungsstätten wie MigraDO, Angebote für Kleinkind-Betreuungen wie die Kultur-Kita, Sprachkurse und vieles mehr“, so Ali Rahimi, der in jungen Jahren aus Afghanistan nach Dortmund flüchtete. Er gründete
Zudem sei Einwanderung eine Chance, dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken. „Handwerksbetriebe finden keine Auszubildenen mehr. Wir brauchen aber das Handwerk, um Deutschland weiterhin stabil zu halten. Wie soll ein Land aufgebaut werden, wenn den Handwerksbetrieben der Nachwuchs ausgeht?“, mahnt Soziologe Schulz.
Zugezogene benötigten zudem bezahlbaren Wohnraum. „In Dortmund ist es schwer, auf Anhieb eine bezahlbare Wohnung zu finden“, so Rahimi. Da müsse etwas getan werden. Soziologe Stefan Schulz bestätigt diesen Eindruck. „Es gibt genug Wohnraum in Dortmund.“ Allerdings sei dieser belegt durch Senior*innen, die aber kaum bis keinen alternativen (kleineren Wohnraum) angeboten bekommen würden. „Wir brauchen zusätzliche Wohnungen, das ist klar“, weiß Thomas Westphal.
Es gebe Instrumente wie das Vorkaufsrecht für Kommunen auf Einfamilienhäuser und Grundstücke. Dies sei aber meist kompliziert und auch teuer, weswegen die Stadt auf weitere Mittel ausweichen würde. Beispielsweise, dass die Stadt selbst baut. „Wir gehen ins kommunale Wohnungseigentum. Wir haben dafür eine zusätzliche Wohnungsgesellschaft gegründet. Sie kann günstiger bauen, sie kann Wohnungen zur Verfügung stellen im bezahlbaren Rahmen – und auch seniorengerecht“, erläutert Oberbürgermeister Westphal weiter.
Eine Idee sei zudem, ehemalige Handelsflächen in Wohnflächen umzubauen. „Da sind wir dran. Denn Dortmund kann Wandel – das beweist die Stadt seit Jahrzehnten.“ Das zeige auch das erste Dortmunder Demografieforum – neben Berlin in Deutschland ein Novum. „Wir sind gut aufgestellt und probieren. Wir warten nicht ab, wir handeln.“
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