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Gedenkveranstaltung in der Bittermark

Grußworte

Da die traditionelle Gedenkveranstaltung am Mahnmal in der Bittermark aufgrund der derzeitigen Lage nicht wie gewohnt stattfinden kann, muss die Erinnerung an die nationalsozialistischen Morde und ihre Opfer virtuell stattfinden. Hier finden Sie die Grußworte von Wolfgang Asshoff, der mehr als 50 Jahre lang den deutsch-französischen Austausch rund um das Bittermark-Gedenken betreute, von Prof. Bernd Faulenbach, dem Vorsitzenden des Vereins Gegen Vergessen – Für Demokratie e.V. sowie von Norbert Schilff, Vorsitzender des Fördervereins Steinwache/Internationales Rombergparkkomitee.

Grußworte von Wolfgang Asshoff

Karfreitag 2020 – keine Reden zum schrecklichen Geschehen in der Zeit vor 75 Jahren, als Männer und Frauen aus verschiedenen Nationen sinnlos dahingemordet wurden, nachdem sie bis auf die Knochen ausgehungert und abgemagert, auf Lastwagen wie bei einem Viehtransport zusammengepfercht, in der Bittermark und beim Rombergpark mit Stacheldraht an den Händen gefesselt, mit einem Genickschuss in die ausgehobenen Gräben kippten;

kein gemeinsames Gedenken in Wort und Musik an ein mörderisches und menschenverachtendes System, das Nicht-Deutsche zu Untermenschen und Sklaven degradierte und deren Arbeitskräfte missbraucht wurden zur Unterstützung der Waffen- und Vernichtungsindustrie;

und dennoch der Schwur: wir wollen diese Geschehnisse nicht einfach dem Vergessen anheim geben, wir wollen nicht aufhören, gegen Gewalt, Unmenschlichkeit, Menschenverachtung und Rassenwahn zu kämpfen, auch wenn wir nicht Seite an Seite unsere Stimmen laut erschallen lassen.

In Gedanken stehen wir vor dem riesigen Mahnmal und gehen an den Opfern – an den Wänden des Mahnmals figürlich hervorgehoben – mit gesenkten Blicken vorbei bis in die Krypta, unter deren Bodenplatte ein wahrscheinlich französisches, mit Namen nicht bekanntes Opfers ruht, und in einer Urne Erde mit den Gebeinen eines Opfers der deutschen Zwangsarbeit vom Pariser Friedhof Père-Lachaise steht.

Wir reichen uns in Gedanken die Hand, Franzosen, Deutsche, Nachfahren der damals Gemordeten aus anderen Nationen und schwören: Nie wieder Krieg; Freundschaft zwischen den Völkern!

Wolfgang Asshoff, Träger des Nationalen Verdienstordens Frankreichs, des Bundesverdienstkreuzes am Band sowie der Ehrennadel der Stadt Dortmund, betreute mehr als 50 Jahre lang den deutsch-französischen Austausch rund um das Bittermark-Gedenken.

Grußworte von Bernd Faulenbach

Zum Gedenken in schwieriger Zeit
(10. April 2020)

An diesem Karfreitag kann wegen der Corona-Pandemie – wohl erstmals seit der Nachkriegszeit – keine Gedenkveranstaltung in der Bittermark in Dortmund stattfinden, die den Opfern der Morde am Kriegsende im Rombergpark und in der Bittermark gewidmet ist.

Zu Recht erinnern wir uns jedes Jahr daran, dass das NS-Regime auch noch in der letzten Phase seiner Existenz entsetzliche Morde verübte. Hier in Dortmund waren es vor allem Zwangsarbeiter und Kriegsgefangene aus der Sowjetunion, Frankreich, Belgien, den Niederlanden und Polen, doch auch politische Gegner des Nationalsozialismus, Menschen des deutschen politischen und weltanschaulichen Widerstandes, die im April 1945 ermordet wurden. Zum Teil waren sie dafür aus den Nachbarstädten Bochum und Herne nach Dortmund gebracht wurden. Nur ein Teil von ihnen konnte identifiziert werden.

Über den Millionen Menschen, die während des Krieges im Osten ermordet wurden, sollten wir nicht vergessen, dass die Mordaktionen im Deutschen Reich ihren Ausgang nahmen und bis zur Kapitulation auch hier gemordet wurde. Die zahllosen Morde sind für uns Verpflichtung, mit allen Formen des Denkens und Handelns zu brechen, die im Mordgeschehen ihren Ausdruck fanden.

NS-Zeit und Zweiter Weltkrieg haben für alle Zeiten gezeigt, wohin es führt, wenn Menschen- und Bürgerrechte nicht gelten, die Prinzipien der Gewaltenteilung und Begrenzung der Macht missachtet werden, freie Wahlen und Parlamente ausgeschaltet sind, der Rechtsstaat außer Kraft gesetzt und der Sozialstaat pervertiert wird, nicht zuletzt, wenn Land, Nation oder Ideologie verabsolutiert werden.

Das damalige Geschehen erinnert uns an unsere Verantwortung für Freiheit, Demokratie und Frieden in einer veränderten, gleichwohl gefährdeten Welt.

Bernd Faulenbach ist emeritierter Professor an der Ruhr-Universität Bochum, Vorsitzender des Vereins Gegen Vergessen – Für Demokratie e.V. und einer der wichtigsten Akteure der deutschen Erinnerungskultur.

Grußwort von Norbert Schilff, Vorsitzender des Fördervereins Steinwache

Vor 75 Jahren ermordete die Dortmunder Gestapo im Rombergpark und in der Bittermark weit mehr als 200 Menschen – die meisten waren ausländische Zwangsarbeiter*innen, einige aber auch deutsche Kommunist*innen und auch zwei Jüdinnen befanden sich unter den Opfern. Dieser traurige Höhepunkt nationalsozialistischen Terrors in Dortmund ereignete sich wenige Wochen und Tage vor der Eroberung der Stadt durch amerikanische Truppen.

Schon bald wurde das ganze Ausmaß des Mordens bekannt. Bürger*innen begannen nach den Verschwundenen zu suchen und entdeckten immer mehr Bombentrichter voller Leichen, die den Mördern als Massengräber gedient hatten. Das noch 1945 einsetzende Gedenken vereinte Sozialdemokrat*innen, Kommunist*innen und alle anderen Dortmunder Bürger*innen, die das Grauen der nationalsozialistischen Verbrechen nicht in Vergessenheit geraten lassen und eine Wiederholung verhindern wollten. Auf diese Weise entwickelte sich schon früh eine bemerkenswerte Erinnerungskultur in Dortmund. Neben dem Mahnmal in der Bittermark entstanden weitere ähnliche Orte, zahlreiche Gedenktafeln und 1992 auch die Gedenkstätte Steinwache. Diese unterschiedlichen Orte stehen für ein vielfältiges, von vielen Dortmunder*innen getragenes Erinnern, das sich immer auch seiner Verantwortung für Gegenwart und Zukunft bewusst war und ist.

Der Förderverein Steinwache ist integraler Teil dieser Dortmunder Erinnerungsgesellschaft. Gegründet von ehemaligen Häftlingen des Polizeigefängnisses Steinwache wie auch verschiedener Konzentrationslager fühlen wir uns bis heute verpflichtet, die Erinnerung an die nationalsozialistischen Verbrechen wachzuhalten. Als Vorsitzender ist es mir ein besonderes Anliegen, dafür zu sorgen, dass Veranstaltungen wie das Gedenken in der Bittermark, aber auch die jährliche Holocaust-Gedenkveranstaltung am 27. Januar, der Antikriegstag im Hof der Steinwache am 1. September und das Pogromnachtgedenken am 9. November im Opernhaus – um nur die Wichtigsten zu nennen – weiterhin stattfinden und von möglichst vielen engagierten Dortmunder*innen getragen werden. Nur eine wache und aktive Erinnerungskultur kann als Teil eines breiten demokratischen Engagements der Zivilgesellschaft dafür sorgen, dass sich Ereignisse wie die nationalsozialistischen Verbrechen, deren örtlicher Höhepunkt die Massenmorde im Rombergpark und in der Bittermark waren, nicht wiederholen. Daran sollten wir alle gemeinsam arbeiten.

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Anschrift:
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